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Liebe - Brüderlichkeit - Solidarität - Grundeinkommen

Das bedingungslose Grundeinkommen - ein historischer Kompromiß?

Mit der großen, zunächst anmaßend erscheinenden Losung "Freiheit - Gleichheit - Grundeinkommen" propagiert das Netzwerk das bedingungslose Grundeinkommen. Auch Adrienne Goehler und Götz Werner paraphrasieren im Titel ihres jüngst erschienenen Buchs "1000? für jeden" die Parole der französischen Revolution, ohne die Ersetzung der "Brüderlichkeit" durch "Grundeinkommen" nennenswert auszudeuten. Die augenfällige, darin liegende sturzartige Konkretisierung die der spätantiken Stoa entstammenden religiöse Vision von der Menschheit als großer Familie zu einem simplen Transfermodell

ist für sich genommen schon überaus dankbarer Gegenstand

"Brüderlichkeit, heute auch Geschwisterlichkeit, ist der historische Begriff für die politisch angestrebte Zusammengehörigkeit, das heißt vor allem Gleichheit und Würde aller Menschen." wp

prekäre Kategorie "Brüderlichkeit"

von der Arbeiterbewegung als Solidarität säkular gefasst

tragend im revolutionären Moment, macht es im gesellschaftlichen Alltag das scharfe Schwert des Rechs entbehrlich, führt aber als "leben und leben lassen", "fünf gerade sein lassen" ein Schattendasein als sozialer Kitt in den Mikrosituationen gesellschaftlichen Verkehrs.

, in dem sie die im gesellschaftlichen Alltagsbetrieb schwer operationalisierbare und inzwischen ja auch aus nochmal ganz anderen Gründen auch begrifflich schwer haltbare "Brüderlichkeit" selbstbewußt durchs Grundeinkommen ersetzen.

Inwieweit es schon damals über die Stunden der Revolte hinaus gerade etwas wie dieses dritten Paradigmas bedurft hätte, um die ersten beiden zusammen zu halten, ist heute eine traurige geschichtliche, also eine analytisch durchaus müßige Frage. Denn inzwischen hat bekanntlich die "Freiheit", von den Bürgern im "Liberalismus" auf die Freiheit der Bürger heruntergestutzt, andere auszubeuten, ihre kleine Schwester, die "Gleichheit", so gut wie totgeschlagen. Dieser 1989 vordergründig entschiedene Kampf hinterließ uns beide als Gespenster, die miteinander nicht können, gegeneinander aber auch nicht.

Goethe Gesetzgeber oder Revolutionärs, die Gleichsein und Freiheit zugleich versprechen, sind Phantasten oder Charlatans.

Es gab jedoch immer ein Spannungsverhältnis zwischen den Erfordernissen der Freiheit und denen der Gleichheit - eine Spannung, die bis jetzt für Dynamik in der Konfrontation zwischen der politischen Linken und der politischen Rechten sorgt. Die Geschichte demokratischer Politik kann dargestellt werden als das Ringen um die Vorherrschaft eines dieser Prinzipien über das andere. (Chantal Mouffe)

"Das natürliche Recht aber ist die Freiheit, und die weitere Bestimmung derselben ist die Gleichheit in den Rechten vor dem Gesetz." Hegel

Max Horkheimer: Je mehr Freiheit, desto weniger Gleichheit, je mehr Gleichheit, desto weniger Freiheit.

Das ist das was ma einen Antagonismus nennt.

RR: Sie hoffen darüber so etwas wie "Gerechtigkeit" und eine "soziale Balance" in das Verhältnis zwischen Lohnarbeit und Kapital einzubauen. Diese Hoffnung ist illusionär. Je schwächer sie wird, desto besser.

In a material world, zumindest Nicht dialektisch aufhebbar, bestenfalls durch einen Kompromiß

Andre Gorz: "zwei Sphären präzis voneinander trennen, (Reich der) Notwendigkeit und Selbstbestimmung Das Organ der Trennung - der Staat(!) der "an seiner Minimalisierung arbeitet"

nach Thomas Schmid: eine lange Nacht nach dem Abschied vom Proletariat

 Freibeuter 7 1981s.63-77

Ende des Streits Simmel

Fifty-Fifty

gehören Grundeinkommen und Konsumsteuer unbedingt zusammen:

Götz Werners frivoler Satz: "Mit dem Grundeinkommen lassen wir die Menschen in Ruhe arbeiten, frei von Existenzangst. Mit der Konsumbesteuerung lassen wir das Kapital in Ruhe arbeiten, frei von Zugriffen, bevor die Wertschöpfung in konsumfähigen Leistungen für die Gesellschaft zu einem Abschluss gekommen ist." (S. 178)" http://www.gegenstandpunkt.com/gs/10/3/gs20103c01h1.html

Gleichheit in der relativen Armut Grundeinkommen gewissermaßen die rechte Leitplanke


http://www.textlog.de/schlagworte-freiheit-gleichheit.html

  1. Goethe: Maximen und Reflexionen (Nachlass) Sämtliche Werke in 18 Bänden. Bd. 9, S. 622. Artemis/ dtv. Zürich / München 1949/1977
  2. Zur feministischen Diskussion Eva Kreisky: [http://evakreisky.at/onlinetexte/solidaritaet_kreisky.php|Brüderlichkeit und Solidarität.

Maskuline Fahnenworte einer politischen Ethik der Moderne.] in: Alberto Godenzi (Hsg): Solidarität. Auflösung partikularer Identitäten und Interessen. Reihe Res Socialis, hsg. von Alberto Godenzi und Marc-Henry Soulet, Bd.9. Publikationen des Departements Sozialarbeit und Sozialpolitik der Universität Freiburg. Freiburg (Schweiz): Universitätsverlag Freiburg, 1999, pp. 29-111

  1. Rainer Roth: Zum Thema Grundeinkommen für Erwerbslose und gesetzlicher Mindestlohn. In: //labournet.de/ 2006

Alexis de Tocqueville hat 1835 warnend darauf hingewiesen: Freiheit erliege gern der Gleichheit, weil Freiheit mit Opfern erkauft werden müsse, während Gleichheit ihre Genüsse von selbst darbiete. Am Ende sei den Menschen die Gleichheit in Knechtschaft lieber als die Ungleichheit in der Freiheit.

Es ist gut, weil es Robert Ulmers und - wenn auch mit etwas anderen Ergebnisses - meinem entscheidenden Argument entspricht, wonach "Alles umstürzen wollen nur eine Pose, die Pose des mutigen Helden (ist). Sinnvoller ist es, ein neues Modul einzuführen, nämlich den Sockel des BGE".

bGE ist ein begrenztes und darin weises POLITISCHES Konzept: Bedingungslose Abschaffung der absoluten Armut und des Arbeitszwangs und aus die Maus, das ist Zumutung genug.

Das Argument gehört nun zugespitzt:

Was ist der politische Charakter des bGE?

Ein Konzept, das die Hälfte der Wirtschaftsleistung (i.S. von Output für den menschlichen Verzehr, die 50% sind in keiner Weise aus der Luft gegriffen!) für die GLEICHE, einfache, aber würdige Reproduktion aller reserviert, ist ein banaler, materieller Zählkompromiß, eine Erbteilung, und zwar zwischen Gleichheit und Freiheit, Liberalismus und Sozialismus.

Freiheit, Gleichheit, Grundeinkommen - das bGE versöhnt notdürftig die verfeindeten und gespensterhaft gewordenen Paradigmen der bürgerlichen und der proletarischen Revolutionen, in dem es beide HALBIERT und diese Hälften als zukünftigen Gesellschaftsvertrag quasi wieder zusammenklebt: Die 1. Hälfte für die Gleichheit (bGE), die 2. Hälfte für die Freiheit, (die Gier, das Prassen, das Handeln, das Ausbeuten, das Profitieren, den Luxus) so erschütternd einfach ist der historische Kompromiß bGE. Und das ist auch gut so, setzt es doch beide, sich nun wechselseitig in ihre Kontingenz verweisend, auch wieder in ihr Recht. Etwas wie ein emanzipatorischer Retro-Liberalismus (für den steht G.W.) ist so gesehen eine folgerichtige Begleiterscheinung des bedingungslosen Gruneinkommens.

Ziemlich peacich das, nichts für Freunde des großen helter-skelter, der sozialen Revolution mit Nächten langer Messer und bösen gierigen Klassenfeinden und Reichen an den Laternen.

In der Logik des Kompromisses bekommt die Konsumsteuer (und alles was ihr an angeblich neoliberalen Holzpferden anhängt) aus Sicht der Gleichheit einen ganz anderen als bisher diskutierten Charakter, nämlich den einer KONZESSION an die Seite der Freiheit, genau gesagt, an die WIRTSCHAFTLICHE Freiheit. Insofern geht das Ressentiment dagegen auch irgendwie in Ordnung. Es bleibt nur eben ein unpolitisches Ressentiment gegenüber einem Konzept, das auch besagt: Laß die andere Seite zufrieden. Das ist der Wesen eines fifty-fifty Kompromisses, eines Vergleichs: Beide Seiten müssen auf die Verkrallung und auf die Hälfte ihrer Ansprüche verzichten, auch die, die sich für "die Gute" hält.

Allerdings gäbe es bei dieser aufteilenden Verbrüderung einen weinenden DRITTEN: Die Bürokratie. In dem das Konsumsteuer-Konzept Sozial- und Steuersystem in seiner praktischen Abwicklung nachgerade punktförmig verschmilzt, eröffnet es auch praktisch die Perspektive auf ein angenehm müßiges Leben ohne unnötigen Hudel - allerdings für Florida-Ralf UND die "Unternehmen".

  • Gemessen an der fundierten Kritik kapitalistischer politischer Ökonomie ist bGE ein schlechter Witz, nichts mehr als historische Reproduktionskosten der Ware Arbeitskraft.
  • Ein historischer Kompromiß eben, vielleicht auch schon längst eine Illusion...
  • umstürzlerische Bahnsteigkarten malen.

Adrienne Goehler, Götz Werner 1000 Euro für jeden

Freiheit. Gleichheit. Grundeinkommen Cover: 1000 Euro für jeden

Econ Verlag, Berlin 2010 ISBN-10 343020108X ISBN-13 9783430201087

 
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